aller Anfang ist…

Die erste Woche neigt sich dem Ende und ich hab Augenringe.. Man man, das war schon alles sehr viel, die verschiedenen Konferenzen, das Sich zurecht finden, die ganzen neuen Kollegen. Klar, ich hab nichts anderes erwartet, aber die nicht vorhandene Einführung für uns sieben neue deutsche Lehrer hat alles nicht gerde erleichtert. Die Schulorga ist nicht so toll, ich erfrage mir jede Kleinigkeit. Wo sind die Räume, die Schlüssel, Zugang zum Emailprogramm, elektronisches Klassenbuch usw… Aber das Kollegium, spanisch wie deutschsprachig, ist super hilfsbereit und freundlich und reißt einiges heraus.

Dann war da noch natürlich die Einschulung von 21 kleinen Ticos. Süüüüß! So ein Sack Flöhe! Einige sprechen ganz gut deutsch, andere gar nicht. Das ich spanisch spreche ist nicht unbedingt zum Vorteil für die Kinder. Ich muss ganz dringend und schnell konsequent einfordern, dass sie wenigstens versuchen mit mir deutsch zu sprechen. Sonst verfehle ich hier meine Aufgabe. Die Eltern sind aber scheinbar froh, dass ich spanisch spreche, alle waren ganz herzlich,  ich musste schon für Fotos herhalten und wurde mit Küsschen verabschiedet.

Die Einschulung in der Aula

Sonst unterrichte ich noch in einer 2. Klasse Deutsch als Muttersprache, ebenso in einer 5. Ab März werde ich dann noch zweimal die Woche „Cursillo“ /Nachmittagsunterricht Deutsch geben, für Kinder aus anderen Schulen, die ab dem 5. Schuljahr das Colegio Humboldt besuchen werden. Bei jeglichen Vorstellungsrunden bei Kollegen und meinem Bekunden nun bald den Cursillo zu führen, erntete ich mitleidige oder respektvolles Stöhnen… Ich bin schon sehr gespannt was da auf mich zu kommt, zum Glück habe ich eine erfahrene Lehrerin, die mir zur Seite stehen wird.

Mein Tag beginnt meist um halb sechs und ich gehe um halb sieben in die Schule. Noch ein wenig kopieren und organisieren, bevor um halb acht die Schule losgeht. Es stehe überraschend gut auf, es ist eben einfach schon hell und der Tag beginnt früher. Leider habe ich bisher immer bis 17 Uhr in der Schule gearbeitet. Diese Daueranstrengung muss sich dringend bald ändern.

Die Wohnung, in der Isabelle und ich wohnen ist wirklich nett, das Problem ist nur die Zimmeraufteilung, ein großes und ein sehr kleines Schlafzimmer. Mal sehen wie wir das lösen. Bisher hatten wir noch Hoffnung etwas anderes zu finden, aber möblierte Wohnungen sind rar. Von „eingelebt“ kann keine Rede sein, es herrscht noch blankes Chaos (an dem vornehmlich ich Schuld bin ;)) und ich lebe noch aus dem Koffer. Aber auch das ändere ich bald 🙂

Ich habe lange überlegt, ob ich Folgendes überhaupt in meinem Blog aufnehmen möchte. Gerade weil ich schriftlich kommuniziere und es mir leid tut, dass ich nicht jedem persönlich die Geschichte erzählen kann. Trotzdem habe ich mich dafür entschieden, weil es mich doch sehr aufgewühlt hat und ich das Gefühl habe, beim Schreiben immer mehr Abstand zu gewinnen. Ich offe ihr versteht mich.

Isa und ich sind überfallen worden. Uns ist nichts geschehen. Wir waren Freitag auf dem Nachhauseweg von der Schule, schwer bepackt mit Schulsachen, Laptop und Einkäufen aus dem Supermarkt, etwa 17 Uhr, das heißt am hellichten Tag. Wir vermuten, dass wir den Dieben aufgefallen sind, als wir vom Supermarkt an der Hauptstraße entlang liefen, sie uns verfolgt und eine passenden Moment abgewartet haben.

Wir waren kurz vor unserem Haus, als ein mit Kapuze maskierter Mann auf uns zu rannte und mit einer Pistole herumfuchtelte. Er wollte Isabelles Taschen haben, ein Anderer stürmte auf mich mit einem Messer ein. Es ist faszinierend, dass ich kaum noch die Situation beschreiben kann, weder in Ablauf noch in Einzelheiten, obwohl ich doch dabei war. Ich bekomme jetzt noch Herzklopfen wenn ich diesen Beitrag schreibe. Es ging alles so schnell. Isabelle nahm der Eine schnell die Taschen ab, ich fing gleichzeitig an um Hilfe zu schreien, als der schon Andere an mir herumriss. Ich weiß nicht wie lang alles dauerte, es kamen Nachbarn auf die Straße und die Arschlöcher hauten mit Isas Taschen, inklusive Laptop und Handy ab, von mir nahmen sie nichts. Ein Nachbar sprang in sein Auto und fuhr hinter den Dieben her, natürlich erfolglos. Die anderen Nachbarn nahmen uns in ihrem Haus auf, riefen die Polizei an (die leider bessserer zu tun hatte als vorbei zu kommen^^) und trösteten uns. Wir haben sofort Isas Kreditkarte gesperrt und Kollegen per Skype angerufen, die mit uns zur Polizei fuhren. Wir erstatteten Anzeige in San José Zentrum. Den Ablauf beschreibe ich nicht, ihr könnt euch alle Vorurteile zu einer Polizeistation in Lateinamerika selbst zu einem Bild zusammenbasteln, dann habt ihr das Richtige.

Eigentlich waren wir schon am frühen Abend zu einer Feier bei Kollegen eingeladen. Trotz Müdigkeit und abfallender Anspannung gingen wir noch hin, wir brauchten dringend einen Schnaps. Die vielen anwesenden Kollegen wussten schon Bescheid und gerade die Ticos (= Costaricaner) ) unter ihnen waren untröstlich, sagten immer wieder wie Leid ihnen dies tue und wie sehr sie sich für ihre Landsleute schämen würden. Die deutschen Kollegen waren natürlich auch aufgewühlt und erschüttert und jeder erzählte von sich. Manchen ist in 20 Jahren nichts passiert, manchen wurde ein paar mal Geld gestohlen, manche haben sogar im Lehrerzimmer Dinge „verloren“…

Ich glaube diese Gespräche, dieses direkte nach Außen tragen, hat mir geholfen das Ganze zu verdauen. Natürlich bin ich nicht darüber hinweg. Mir ist nur bewusst geworden, dass ich bisher in keinster Weise angekommen bin. Bisher bewege ich mich in einem deutschen Mikrokosmos – Schule, Sprache, Wohnung – ich lebe deutsch und in meinem Kopf hatte noch kein Umdenken begonnen. Vielleicht war es nicht richtig, mit so vielen Taschen und mit einem Laptop in unserer Siedlung herum zu laufen. Aber es wir waren tagsüber in einer bewohnten ruhigen Gegend!!! Es war ein richtiger scheiß Zufall. Wir wollten erst einen anderen Weg nehmen, hatten sogar über ein Taxi gesprochen, weil unsere Taschen so schwer waren – aber es hilft kein Hätte Wenn und Aber, es hatte nichts mit uns zu tun, wir waren nur zur falschen Zeit am Falschen Ort. Uns ist nichts geschehen, das ist das Wichtigste.

Ich werde in Zukunft vorsichtiger sein, aber ich werde mir nicht die Freude an diesem Land verderben lassen.

Denn gerade bin ich am Strand, am Playa Hermosa (Schöner Strand). Wir sind mit ein paar Kollegen hergefahren und Isa und ich bleiben noch halben Sonntag. Mir wird hier am Wasser, mit Sonne im Gesicht, das Auf und Ab des täglichen Lebens bewusst. So anstrengend die Woche war, so furchtbar die Erfahrung des Überfalls, so glücklich macht mich diese schöne Landschaft, der Wind und das Meer. Mir geht es sehr gut!

Eine Runde Pipas für uns!

So ist aller Anfang anstrengend, aufwühlend und schön.

Ich grüße euch ganz lieb!

Sonnenuntergang am Playa Hermosa

PS: Gerade ist ein Gecko die Wand im Hostelzimmer hinauf gelaufen 🙂

3 Antworten zu “aller Anfang ist…

  1. Hallo Katharina!!!
    Du hast jetzt schon sooo viel erlebt!!! das mit dem Unfall ist wirklich schrecklich… hatte selber mal so eine Erfahrung… da war auf einmal ein Mann im Keller den ich überrascht hatte.. egal … kann ich also gut verstehen, dass der Schock tief sitzt! Aber deine Einstellung, dir dadurch nicht das Land vermiesen zu lassen ist bewunderswert!!! Hut ab!!! Halte weiter durch!!! Wir denken hier alle an dich!!!
    Deine kleinen Schulanfänger sind auf jeden Fall super süß und du passt super gut dazwischen 🙂
    also ich drücke dir die Daumen!!! Ganz liebe Grüße aus dem super kalten Northeim!!! Tank ein bisschen Sonne für mich!! Fühl dich gedrückt! Maria

  2. Liebe Kiki, ich musste weinen, als ich das gelesen habe. Passt nur ja auf euch auf ! Wir wollen Dich unversehrt wiedersehen.
    Genieße die Zeit, aber macht euch immer klar, dass Armut oft skrupellos macht.
    Nüchtern betrachtet, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Euch Ähnliches noch einmal passiert gering.
    Zumal Ihr, durch diesen Schuss vor den Bug sicher weniger offen Eure Schätze herumtragt.

    Wir umarmen Dich
    Ingrid und Werner

  3. Liebe Katharina,

    wir haben mit Betroffenheit Deinen Bericht vom Überfall gelesen.
    Es wird Zeit brauchen, dies zu verarbeiten.
    Wir wünschen Dir die Kraft, dass Du aus tieftes Herzen den Beiden verzeihen kannst. Haß und Vergeltungsgedanken binden Dich zu stark an das Negative; es kostet Dir zu viel Kraft. Versuch bitte, in Gedanken Liebe und Licht den beiden zu schicken, damit sie auf den richtigen Weg kommen. Wir wissen, dass es schwer ist, so zu denken. Es wird aber allen nützen und Dich schützen.
    Wir wünschen Dir und Euch allen eine behütete und gesegnete Zeit in Costa Rica.

    Karin und Günter

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